Die C100 Scouts beim Strecken-Check, Teil 2

Im ersten Teil der Testlauf-Serie düste C100 Scout Philipp als Solo Ultra über die Hauptschleife des C100ers, den die 100 Kilometer Läufer genauso absolvieren müssen wie die 100 Meilen-Läufer. Ihr findet diesen Bericht hier.

Im zweiten und letzten Teil nehmen euch jetzt die Scouts auf den Prolog mit, welcher für die 100 Meilen-Läufer mit gut 90 Kilometer Länge deutlich ausgedehnter ist als für die 100km-„Sprinter“ (ca. 30 km).  Viel Vergnügen!


Gut getankt in die Hitzeschlacht

Es ist Freitag Mittag und die Sonne brennt auf das Gelände des TSV Bergen, wo in wenigen Wochen der Startschuss zur Neuauflage des C100 fällt – zur gleichen Uhrzeit und vielleicht sogar zu ähnlich heißen Temperaturen (was nicht verwunderlich wäre, wenn ich an die letzten Jahre zurück denke). Es dauert nicht lange und Philipp trudelt ein. Mit ihm möchte ich heute die erste Schlaufe der neuen 100 Meilen Strecke unter die Füße nehmen. Gut 90 Kilometer, um die 4000 Höhenmeter und circa 20 Stunden, so unsere Zahlen. Auch Dirk aus der Orgateam Chef-Etage des C100 möchte sich noch anschließen. Damit er uns orten kann habe ich mir den GPS-Tracker unseres Hundes an den Laufrucksack geklammert; meine persönliche Digitalbeauftragte kümmert sich von zuhause aus um die technische Abwicklung. 

Apropos Laufrucksack. Der ist heute besonders schwer, weil wir als Selbstversorger unterwegs sind. Vor allem der Faktor Wasser spielt dabei eine im wahrsten Sinn gewichtige Rolle. Philipp und Dirk konnten zwar im Vorfeld an hoffentlich relevanten Stellen Trinkwasser hinterlegen, aber die Strecke ist lang und der Wetterbericht sagt starken Durst voraus.

Wir starten gegen 13 Uhr und rennen in praller Sonne durch den Ort Bergen (hoffentlich sieht uns keiner), bis es über den kleinsten Pfad des Chiemgaus hinein und hinauf in den Wald geht. Schatten! Freibier für den, der hier Bäume gepflanzt hat!

Es geht rauf und es geht runter, Pattenberg kommt und geht, aber laut Höhenmeterprofil befinden wir uns diesbezüglich noch knietief im Prolog, mitten in der gemäßigten Zone. Dank der Temperatur fühlt es sich aber anders an. 

Nach etwa 10 Kilometern kommt uns doch tatsächlich ein anderer Verrückter entgegen, noch ein Trailrunner, der bei diesen Temperaturen unterwegs ist. Oh, es ist Dirk!  Er hat unseren Hund gefunden! Und damit natürlich mich beziehungsweise uns, dank der Unterstützung meiner Digitalbeauftragten. Ab jetzt haben wir jedenfalls ortskundige Unterstützung und sind die Privilegierten, welche eine exklusive Führung von der C100 Orga Chefetage bekommen.

Das Trio schrumpft zum Duo

Die Wege sind gut berennbar und oft auch breit genug, um die Kilometer ratschenderweise nebeneinander zu verbringen. Dazu noch der wertvolle Schatten … ein perfekter Prolog.

Nach etwa 15 Kilometern erreichen wir die Stelle, an denen die 100 Kilometer Läufer abbiegen und wieder den Rückweg antreten dürfen. Wir aber müssen, nein, dürfen weiter Richtung Marquartstein. Kurz nach Kilometer 16 erreichen wir eine Stelle, an der Dirk für uns Wasser deponiert hat. Perfektes Timing, denn anschließend geht es erstmal an der prallen Sonne durch den Ort Marquartstein.

Keine zwei Kilometer später befinden wir uns schon wieder auf einem schönen, schattigen, hügeligen Waldweg. Luxus pur, denn dieser  führt direkt an einem Bach entlang, von dem kühlende Luft rüber weht.

Philipp hat heute leider nicht seine beste Tagesform; die Hitze macht ihm zu schaffen. Der jetzt folgende Anstieg macht es für ihn nicht leichter.

An der Zeppelinhöhe (km 24,5) genießen wir die Aussicht. Dann folgt ein längeres Stück hoch zur Rachlalm (km 26,5), an der es Wasser gibt, welches aus einer offenen Rinne, nicht aus einem Brunnen, kommt. Daher sind wir vorsichtig und nutzen es lediglich zur Abkühlung.

Plötzlich bekommen wir unerwartete Gesellschaft: Noch zwei Bergläufer erreichen mit vor Schweiß glänzenden Nasen, aber mit einem breiten Grinsen im Gesicht, die Rachlalm. Es sind Wolfgang Geistanger und Alois Hundseder, zwei Legenden des C100 auf Trainings-Tour, weil sie ebenfalls beim Reload am 30.7. an der Startlinie für die 100 Meilen stehen wollen. Was für eine schöne Überraschung!

Wir laufen ein paar Kilometer gemeinsam, bis sich Wolfi und Alois, deren Wohlfühltempo etwas höher anzusetzen ist, verabschieden und bergab davon schießen. Dann geht es  zu dritt weiter hinunter nach Rottau, wo sich Philipp leider verabschiedet. Es ist einfach nicht sein Tag. Ich kann das gut nachvollziehen; in meiner bescheidenen Ultra-„Karriere“ habe ich schon oft genug ähnliches erleben müssen. Dirks Verwandtschaft macht das Taxi für Philipp und beglückt uns alle erstmal mit Adelholzener Rhabarber-Limo. OMG, schmeckt das gigantisch! Nach sechs Stunden Lauf in der Hitze kann ich mir nichts besseres vorstellen. Ich bin glücklich, was die Flüssigkeitsaufnahme betrifft. Nicht, was das auf ein Duo geschrumpftes Team angeht. But (ultra-)life goes on …

Auf zur Kampenwand

Was als nächstes folgt ist ein etwa 10 Kilometer langer Anstieg. In Worten: Zehn. Also Tempo raus und versuchen, irgendwie damit klar zu kommen. Für einen Flachländler wie mich nicht die einfachste Aufgabe.

Wir sind auf dem Weg zur Kampenwand. Die Steigung ist erstmal erträglich, man schwankt zwischen gemütlichem Schlurf-Joggen und energiesparendem, aber flottem Wandern. Der breite Forstweg wird irgendwann zum Wiesenweg, dann zum Berg- und Wurzelpfad. Je höher wir kommen und je näher wir der Kampenwand und ihren Almen aufrücken, desto mehr Tagesausflügler kommen uns entgegen. Diese Ecke ist auch bei Münchnern sehr beliebt. Aber der „Trubel“ hält sich in Grenzen, da hatte ich bei diesem schönen Wetter mit ganz anderen Dimensionen an Menschenmassen gerechnet.

Es wird bereits dämmerig, als wir uns auf Höhe Sonnenalm eine kleine Pause gönnen. Ein guter Marathon liegt nun hinter uns. Als wir dann wieder aufbrechen erwartet uns ein absolutes Trail-Highlight. Der Pfad wird hochalpin und der Mond leuchtet uns den Weg. Die Stille der Bergwelt ist beeindruckend. Ja, das sind genau diese Momente, für die sich jeder Schweißtropfen gelohnt hat.

Runter zum Wössener See

An der Hofbauernalm brennt noch Licht, aber wir wollen nicht stören und machen uns gleich mal an den Abstieg zum Dalsen-Sattel. Die nicht immer ganz einfachen, aber größtenteils gut berennbare Wege machen Spaß!

Je weiter wir nach unten kommen, desto breiter wird der Weg. Eine gute Gelegenheit, unserem Durchschnittstempo ein kleines Upgrade zu verpassen. Unten in Mühlau angekommen hatte Philipp dankenderweise Trinkwasser für uns platziert. Das ist jetzt verdammt wertvoll und ich freue mich umso mehr auf das Wettkampf-Wochenende, an dem dank der Verpflegungsstellen das Wasserversorgungsproblem vom Tisch sein sollte.

Über einen kleinen Waldpfad und einer Ortsdurchquerung kommen wir ans Ufer der Tiroler Achen. Abgesehen von 48 Treppen (ja, ich habe mitgezählt) bleibt es flach. Bei einem relativ exakten Kilometerstand von 60 überqueren wir den Fluss und stürzen uns in das Nachtleben von Unterwössen. Um ehrlich zu sein: Die fette Party steigt hier nicht mehr. Unser Ziel ist jetzt der Wössener See, an dessen Seestüberl Dirk Wasser für uns bereit gestellt hat. Wir machen es uns gemütlich und sammeln die Kräfte. Das ist auch notwendig, denn als nächstes stehen uns 700 Höhenmeter nonstop bevor.

Ein Radler kommt selten allein

Der Aufbruch von der Terrasse des schönen Seestüberls fällt uns nicht leicht, aber naja, es ist selbstgewähltes Schicksal, da hilft auch kein Jammern.

Einige Höhenmeter später erreichen wir Widholz, wo am Wettkampf-Wochenende ein wichtiger Verpflegungspunkt sein wird. Anschließend geht es auf überwiegend breiten Wegen weiter nach oben. Es zieht sich. Dann folgt ein Streckenabschnitt, den ich psychisch ganz schwierig finde, denn es geht erstmal wieder ein ordentliches Stück runter! All die mühsam erarbeiteten positiven Höhenmeter für die Katz, denn wir müssen ja hoch zum Hochgern!

Als es wieder nach oben geht sage ich zu Dirk: „Was würde ich jetzt für ein Radler geben!“. Und siehe da: Das Stoßgebet eines Atheisten wurde erhört! An der Agersgschwendtalm gibt es Bier, Radler, Schorle auf Selbstbedienungs- mit einer Kasse auf Vertrauensbasis. Ab sofort ist die Agersgschwendtalm für mich die beste Alm des Chiemgaus. Ach was, der kompletten Alpen!

High on emotion

Gut gelaunt geht es weiter nach oben. Es wurde mittlerweile hell und wir genießen immer wieder die phantastische Aussicht. Vorbei an Enzianhütte und Hochgernhaus, auf in den Endspurt zum höchsten Punkt der  Tour, dem Hochgern. Wobei „Spurt“ nicht das richtige Wort ist, denn Dirk hat uns für den finalen Aufstieg eine sehr steile und felsige Passage ausgewählt. Uh, das zieht nochmal ordentlich Energie. Doch oben am Gipfel angekommen ist alle Mühe vergessen. Das Panorama ist wunderschön und Dirk spendiert mir sogar etwas aus seinem Verpflegungs-Vorrat, bei dem man meinen könnte, er hat eine ganze Bäckerei geplündert.

Endspurt – es geht bergab

Der Abstieg ist zwar steil, aber technisch nicht so schwer wie von mir befürchtet. Wir lassen die Staudacher Alm links liegen. Ab hier befinden wir uns wieder auf der Strecke, welche auch die 100 Kilometer Läufer in ihrem Prolog abhaken müssen.

Jetzt erwarten uns erstmal wunderschöne Singletrails! Es geht über eine Feuchtwiese, dann ab in den Wald auf einem Pfad, der nicht mehr aufhören will, einfach grandios. Ich bin von der Wegführung sehr begeistert!

Irgendwann spuckt uns der Pfad auf einen breiten Forstweg aus, der mir sehr  bekannt vorkommt. Es ist der Weg runter nach Kohlstadt, die erste (und einzige) Überschneidung dieser ersten Schlaufe mit der alten Strecke, wenn auch von der zweiten Schlaufe der alten Strecke. Klingt kompliziert? Egal, nicht denken, laufen.

In Kohlstatt gibt es einen Brunnen, der diesen Namen auch verdient hat. Da kommt doch tatsächlich jede Menge Wasser raus. Ein Zustand, der uns nach dieser Tour nicht mehr selbstverständlich ist. Wir legen für den Endspurt noch einen Zahn zu und werden 2 Kilometer vor Schluss von Dirks Frau empfangen. Sie bietet uns an, die letzten beiden Kilometer im Auto mitzunehmen. Ohoh, jetzt heißt es hart sein und das Angebot dankend abschlagen. Das ist nicht einfach, glaubt mir.

Der Weg führt uns direkt in den Ort Bergen und damit auch wieder zurück zum Basecamp. Hurra! Nach gut 20 Stunden haben wir es geschafft, was für eine Selbstverpfleger-Edition und bei diesen Temperaturen absolut okay ist.

Fazit

Der Chiemgauer100 hat sich 17 Jahre lang den Ruf erarbeitet, einer der härtesten Berg-Ultratrails zu sein. Jedenfalls für deutsche und europäische Verhältnisse. Diesem Ruf wird auch die neue Streckenführung gerecht. Aber welche Schlaufe ist schwerer, der alte oder der neue Vorspann? Worin unterscheiden sie sich? Dazu kann ich eindeutig sagen: Es wird mit der neuen Streckenführung nicht einfacher werden. Auch diese neue Schlaufe hat zwar Streckenabschnitte, auf denen man Kilometer gut machen kann. Allerdings ist der Faktor „alpines Gelände“ höher geworden. Ich bin schon sehr gespannt, wie beziehungsweise ob sich das auf die Finisherquote auswirken wird.

Wir sehen uns am 30. Juli an der Startlinie!